Unsere Stellungnahme vom 22. Oktober zum Artikel von Herrn Thomas Schmid “Der großartiger Separatismus der Schotten” in “Die Welt” vom 18. Oktober 2012
Sehr geehrter Herr Schmid,
nachdem im 18. Jahrhundert Katalonien durch die spanische Militärbesatzung seine Souveränität verlor, stellt die Frage der Einbettung („encaix“) Kataloniens in Spanien, zunehmend ab dem 19 Jahrhundert, ein permanentes Thema der katalanischen Gesellschaft und Politik dar (sofern sich diese überhaupt artikulieren durfte).
Höchstwahrscheinlich wird das Ergebnis der kommenden Wahlen zum katalanischen Parlament am 25. November 2012 auf eine Volksabstimmung hinauslaufen und diese wird dann den friedlichen Schlussstrich unter die Auseinandersetzung Kataloniens mit Spanien darstellen.
Die Chance innerhalb eines gemeinsamen Staates den fälligen symmetrischen Ausgleich zwischen Katalanen und Spaniern zu finden ist inzwischen verspielt. Zuletzt geschah dies durch das Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes im Jahr 2010, welches dem vom katalanischen Parlament und durch ein katalanisches Referendum abgesegneten Bestreben nach größerer Autonomie eine endgültige Absage erteilte.
Die Katalanen haben also viele Gründe, die Bewunderung von Herrn Thomas Schmid für die schottischen Unabhängigkeitsbestrebungen zu teilen. Herr Schmid findet nun aber zu unserer Verblüffung den großen Unterschied zwischen Schotten und Katalanen darin, dass letztere im Kontrast zu ersteren rassistisch und europafeindlich seien. Woher weiß er das?
Liegt der Unterschied nicht eher zwischen England und Spanien? Der britische Premierminister Cameron stellte vor ein paar Tagen zusammen mit dem schottischen Premierminister Salmond einen gemeinsamen Text für das schottische Unabhängiskeitreferendem im Jahr 2014 vor. Der spanische Ministerpräsident Rajoy lehnt analoge Vorschläge des katalanischen Präsidenten strikt ab. Stattdessen lässt er unwidersprochen seinen Parteigenossen Vidal-Quadras, immerhin Vizepräsident des europäischen Parlaments, in Straßburg den bewaffneten Einmarsch in Barcelona androhen. Warum schweigt Die Welt dazu?
Aus dem Europäischen Parlament haben sich der grüne Fraktionschef Cohn-Bendit aus Frankreich und der liberale Fraktionschef Verhofstaedt aus Belgien auf das entschiedenste gegen Vidal-Quadras und die Rückkehr zu totalitären Methoden der dreißiger Jahre ausgesprochen. Warum schließt sich Herr Thomas Schmid Ihnen nicht an? Wäre das nicht naheliegend in Zeiten, in denen die Europäische Union den Friedensnobelpreis erhält?
1,5 der 7,5 Millionen Katalanen sind erst in den letzten 15 Jahren nach Katalonien zugewandert und haben sich zumeist gut in die dortige Gesellschaft eingegliedert. Im katalanischen Parlament sitzt kein einziger Abgeordneter einer rechtsradikalen Partei. Der Führer der einzigen katalanischen rechtsradikalen und ausländerfeindlichen Partei war über Jahrzehnte aktiv in der spanischen rechtextremen Politik, u.a. als Kader der spanischen faschistischen Parteien Fuerza Nueva und Frente Nacional, die seit eh und je Hetze gegen Katalonien betreiben.
Der Vorwurf, wir seien Rassisten und Europafeinde, an uns gerichtet aus Deutschland, das in Gernika und anderswo dem spanischen Faschismus, der unsere Demokratie und nationale Existenz beseitigen wollte, erst zum Sieg verholfen hat, ist für uns Katalanen ganz besonders enttäuschend und verletzend.
Es gibt in Südeuropa keine Nation mit größerer Europabegeisterung als die Katalanen! Denn ein friedliches, demokratisches und plurinationales Europa war für uns schon immer der Spiegel, in dem wir uns sehen wollten und der Ort zu dem wir immer schon gehören wollten. Wir laden Herrn Schmid herzlich dazu ein, nach Katalonien zu kommen und sich mit den Katalanen zu unterhalten. Machen Sie sich bitte selbst ein Bild!
Und vergleichen Sie bitte in ihrem nächsten Artikel Spanien und Großbritannien.
Assemblea Nacional Catalana-Deutschland
Berlin am 22. Oktober 2012