Zuerst möchte ich meinen tiefsten Dank all den Menschen aussprechen, die mich bei meiner Ankunft (am Gerichtshof) empfangen haben. Ein großartiger Empfang, wie auch bei der Ankunft der Ministerin Irene Rigau und der ehemaligen Vizepräsidentin Joana Ortega, der uns außerordentlich bestärkt und gestärkt hat, und uns das Gefühl gegeben hat, dass viele Menschen an unserer Seite stehen – was besonders wichtig ist in Momenten wie diesen.
Dies hat mich daran erinnert, wie in diesem Gebäude, dem Palau de la Generalitat, vor rund einem Jahr, im Oktober 2014, jene Hunderte von Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen aus verschiedenen Ortschaften Kataloniens angereist waren und vom historischen Ratssaal kommend die Plaça Sant Jaume überquerten, und dann hier der Präsident des Kommunalverbands, Miquel Buch, sagte: „Präsident, sollte es in den nächsten Monaten einen besonders komplizierten und schwierigen Moment geben, dann schauen Sie neben und hinter sich und Sie können sicher sein, dass sie sehr viele Menschen sehen werden, und viele von uns darunter.“
Genauso ist es heute gewesen. Ich habe mich in hervorragender Begleitung gefühlt, sehr gut aufgehoben und ermutigt. Und es ist wahr: immer wenn ich ein wenig hinter und neben mich geblickt habe, konnte ich viele Menschen sehen, die mich unterstützten. Nun, ich wollte also an erster Stelle meinen Dank aussprechen gegenüber all den Menschen – ob Amtsträger oder nicht – die keine Mühen gescheut haben, um in diesem Moment vor dem Obersten Gerichtshof in Katalonien dabei zu sein.
Meine Zusammenfassung (zur heutigen Vorladung) ist folgende:
Die Volksbefragung, die am 9.11.2014 abgehalten wurde, war die Konsequenz einer klar ersichtlichen institutionellen und politischen Initiative, aber auch der Bürger, die einbezogen wurden und sie mit großem Einsatz ausführten. Ich habe stets unterstrichen, dass wir diese Befragung nur durchführen konnten dank jener grundsätzlichen Übereinstimmung von institutioneller, politischer Initiative mit gleichzeitiger Einbeziehung der Bürger, die sich freiwillig an dem Prozess beteiligten, nicht nur als Zuschauer, sondern als Beteiligte: Sie waren die wahren Ausführenden jener Volksbefragung.
Für eine solche politische Aktion sollte man zur Stellungnahme vor das Parlament gerufen werden, aber niemals vor ein Gericht. Dafür, dass man das Volk sprechen, teilhaben und seine Rechte wahrnehmen lässt, müsste man vor dem Parlament Rechnung ablegen, aber niemals vor einem Gericht. Und noch weniger, noch viel weniger, in einem Strafverfahren wie das, das gerade eingeleitet wurde.
Ich werde mich nicht verstecken, sondern offen darlegen, dass ich in oberster Instanz verantwortlich bin, die politische Initiative ergriffen sowie das Verfahren der Bürgerbeteiligung vom 9.11.2014 erdacht und in Gang gesetzt zu haben. Ich bin verantwortlich dafür, dass ich den Stimmen von Hundertausenden von Menschen Gehör geschenkt habe. Menschen, die friedlich, zivilisiert und vorbildlich die Straßen, Plätze und Wege Kataloniens gefüllt haben, im Juli 2010 und in den Septembermonaten der Jahre 2012, 2013, 2014 und 2015. Ich übernehme die volle Verantwortung dafür, auf die Stimmen all dieser Menschen gehört zu haben.
Ich bin verantwortlich dafür, dass ich den Stimmen von mehr als 90 Prozent der Rathäuser Kataloniens zugehört habe. Denen, die im Jahr 2014 die Wahlurnen am 9.11. aufstellen wollten, um den Bürgern von Katalonien eine Stimme zu geben.
Ich bin verantwortlich dafür, dass ich den vom katalanischen Parlament mit breiter Mehrheit verabschiedeten Beschlüssen gefolgt bin. Beschlüsse, die die katalanische Regierung baten, eine Volksbefragung zur politischen Zukunft Kataloniens zu ermöglichen.
Ich bin allein – und in diesem Fall nicht in oberster Instanz und nicht mit anderen – verantwortlich dafür, dass ich dem Volk Stimme und die Möglichkeit zur Wahl gegeben habe durch die vorgezogenen Parlamentswahlen am 25.11.2012 und am 27.9.2015. Um auf demokratischem Wege das Mandat zu erhalten, das die Einleitung legitimer politischer Schritte erlaubte.
Ich bin verantwortlich für all dies. Den Menschen und den Rathäusern zugehört und Wahlurnen aufgestellt zu haben. Und ich kann nicht nachvollziehen, dass ich mich dafür vor einem Gericht verantworten muss. Als Konsequenz einer von der spanischen Staatsanwaltschaft eingereichten Klage, entgegen der Meinung der 9 Staatsanwälte des Vorstands der katalanischen Staatsanwaltschaft.
Ich bin auch dafür verantwortlich – zusammen mit der derzeitigen Regierung der Generalitat –, dass ich das Urteil des Verfassungsgerichts angewendet habe. Das Urteil, das verschiedene Paragraphen des Gesetzes zu unverbindlichen Volksbefragungen, das vom katalanischen Parlament im September 2014 mit 106 von 135 Stimmen verabschiedet wurde, außer Kraft gesetzt hatte. Ich bin auch verantwortlich dafür – zusammen mit der Regierung –, dass ich die Aufhebung des Dekrets durch das Verfassungsgericht, jenes Dekrets, das zur Volksabstimmung am 9.11. vergangenen Jahres aufrief und das ich selbst unterzeichnet hatte, angewendet habe.
Ich fühle mich letztendlich verantwortlich dafür, dass ich in jedem Moment versucht habe, das demokratische Mandat des Volkes mit dem existierenden oder einem neuen gesetzlichen Rahmen zu vereinen. Denn ich bin mir bewusst, dass es die demokratische Pflicht von Volksvertretern und jedem Politiker ist, sich dem legalen Rahmen und den auf friedliche Weise und mit freiem Willen mittels Wählerstimme geforderten sozialen Grundbedürfnissen anzupassen. Wir haben in unserer Verantwortung als Politiker und als Leiter der Institutionen oft darüber gesprochen, wie man die Rechtmäßigkeit der Wahlurnen mit der Gesetzestreue vereinen kann. Und eben nicht die Gesetze und den legalen Rahmen mit den Wahlurnen konfrontiert, sondern das an den Urnen erhaltene Mandat mit dem gesetzlichen Rahmen abgleicht und da, wo es möglich ist, diesen für die Zukunft schafft.
Ich fühle mich also verantwortlich dafür, den sozialen Frieden, die ideologische Freiheit, die Meinungsfreiheit und das Recht zur Teilnahme verteidigt zu haben – Prinzipien und Grundrechte, die übrigens anerkannter und geschützter Teil der Verfassung sind.
Ich habe dem zuständigen Gericht die Frage gestellt, ob ein demokratisches Verhalten mit dem eines Verbrechers vergleichbar ist. Die Antwort darauf überlasse ich der Justiz, aber ich wiederhole: Kann demokratisches Handeln mit einer Straftat gleichgesetzt werden? Meiner Meinung nach – eine Meinung, die meines Erachtens von vielen unserer Mitbürger und Mitbürgerinnen geteilt wird – demokratisch zu handeln heißt: den Menschen zuzuhören, ihre Beteiligung, ihre Meinungsfreiheit und die Freiheit der Ideen gefördert zu haben. Den lokalen Institutionen unseres Landes zugehört zu haben, und die Wahlurnen so oft wie nötig zur Verfügung gestellt zu haben, sodass die Bürger ihre Meinung, dort wo sie am meisten zählt, zum Ausdruck bringen konnten. Das heißt, an den Wahlurnen, vor denen wir alle gleich sind: der Mächtige genauso wie der weniger Mächtige, der Wohlhabende und der weniger Wohlhabende, der mit Arbeit und der ohne, die Alten und die Jungen. Ob als Demokrat zu handeln gleichgesetzt wird mit dem Handeln eines Kriminellen, werden wir in den folgenden Monaten im Verlauf dieses Gerichtsprozesses erfahren.
Zum Abschluss habe ich – um zum Verständnis und der Aufklärung der in dieser Anklage in Frage gestellten Handlungen beizutragen – auf eine grundlegende Tatsache hingewiesen: Die Befragung vom 9. November vorigen Jahres sollte ursprünglich von der Verwaltung der Landesregierung durchgeführt werden. Deshalb gab es das Dekret, das ich am 27. September in diesem Palau unterschrieb.
Aber nach der Aussetzung jenes Dekrets seitens des spanischen Verfassungsgerichts sowie vieler Artikel des Gesetzes, das dieses Dekret regulierte – das Gesetz über nicht bindenden Volksbefragungen, das vom katalanischen Parlament im September verabschiedet worden war – , seit jenem Verbot also, und zwar nach dem 14. Oktober, wurde das Format der Befragung geändert. Die Verwaltung war nicht mehr für die Durchführung der Teilnahme am 9. November verantwortlich, sondern es waren die Bürger, die sich freiwillig meldeten, um den Teilnahmeprozess durchzuführen. Ich möchte daran erinnern, wie ich hier in diesem Palau am 14. Oktober 2014 sagte, dass wir ungefähr 20.000 Freiwillige brauchen würden, um die Befragung am 9.11.2014 umzusetzen. Schließlich meldeten sich 40.000 Freiwillige, und deshalb konnte die Befragung am 9. November stattfinden. Sonst wäre das unmöglich gewesen.
Die Generalitat wirkte mit. Sie informierte, bot Dienstleistungen an und stellte Material zur Verfügung, informierte die Öffentlichkeit, gab aber weder Befehle noch Anweisungen.
Als ich am 14. Oktober vorigen Jahres das neue Format der Befragung persönlich bekannt gab, erinnert Ihr Euch sicherlich, wie die Zentralregierung die Befragung durch ihre höchsten Vertreter geringschätzte und sogar öffentlich darüber spottete. Erst 15 Tage später erhob sie Klage vorm Verfassungsgericht, obwohl bei dem vorherigen Projekt zu Volksbefragungen die Klage nach wenigen Stunden erfolgt war. Und gerade in den 15 Tagen zwischen Ausrufung des neuen Formats und der Klage der spanischen Regierung vor dem Verfassungsgericht, in diesen etwas mehr als 15 Tagen konnte die katalanische Landesregierung die ganze Arbeit für die Vorbereitung des 9. 11. durchführen, in dem Bereich, der in die Verantwortung der Verwaltung der Generalitat fiel.
Am Abend des 4. November erhielt ich vom Verfassungsgericht das neue, von der spanischen Regierung angestrebte Verbot. Die spanische Regierung war vom öffentlichen Spott zum Machtmissbrauch übergegangen. Sie benutzte erneut das Verfassungsgericht, um eine Initiative der freien Meinungsäußerung und Bürgerteilnahme zum Scheitern zu bringen, obwohl sie in den Händen von Freiwilligen lag und keine juristischen Folgen haben konnte, wie ich wiederholt erklärt hatte.
Zusammenfassend kann man sagen, aus politischer und nicht juristischer Sicht, ist meiner Meinung nach der Erfolg des 9.11.2014 – die enorme Mobilisierung der Bürger und ein breiter internationaler Widerhall – die Motivation hinter den jetzigen Klagen. Es ist weder eine Frage des Rechts noch der Gesetze; es ist die Wut verschiedener Institutionen des spanischen Staates über den Erfolg des 9. November, die keineswegs einen demokratischen Maßstab anlegen oder mit einer normalen demokratischen Einstellung akzeptieren wollten, dass es in Katalonien diesen großen Festtag, diese große Bürgerbeteiligung gegeben hat, mit 2,3 Millionen abgegebenen Stimmen und einem großen weltweiten Widerhall. Ich wiederhole an dieser Stelle: der Erfolg der Demokratie sollte nie vor der Justiz enden.
Dies ist im Großen und Ganzen, was ich mitteilen wollte und ein Teil von dem, was ich heute bei der Anhörung vor dem Obersten Gerichthof erklärt habe.
Ich möchte hinzufügen, um äußerst sorgfältig mit der Realität umzugehen, dass die Behandlung seitens der Mitglieder des Gerichts und besonders des Richters, von institutioneller Seite und auch bei der Befragung äußerst korrekt gewesen ist. Ich betone diese korrekte Behandlung, weil meine Äußerungen in keiner Weise bedeuten sollen, dass ich die Gerichte oder die Justiz unseres Landes in Frage stelle. Wir haben immer ordnungsgemäß zusammengearbeitet, und werden es auch weiterhin tun. Heute, trotz des überdimensionierten gerichtlichen Verfahrens, habe ich gerne die Fragen des Richters beantwortet. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass ich die Fragen der Staatsanwaltschaft nicht beantworten wollte, weil meiner Meinung nach die Tätigkeit des Generalstaatsanwalts, sowohl in diesem Fall wie auch in den Fällen der Ministerin Rigau und der ehemaligen Vizepräsidentin Ortega, vollkommen unverhältnismäßig gewesen ist. Ich sage nachdrücklich, dass die 9 Staatsanwälte der Staatsanwaltskammer Kataloniens – es waren 9! – einstimmig der Meinung waren, dass am 9.11. vorigen Jahres keinerlei Gesetzesübertretung stattgefunden hat. Aber die Generalstaatsanwaltschaft setzte sich über diese Entscheidung der Staatsanwälte Kataloniens hinweg, und erhob die Klagen, die jetzt zum Tragen kommen. Diese Handlung ist, unserer Meinung nach, vollkommen unverhältnismäßig, und das war der Grund dafür, die Fragen der Staatsanwaltschaft unbeantwortet zu lassen.
15. Oktober, 2015, in Barcelona.
Übersetzt aus dem Katalanischen. Quelle: http://premsa.gencat.cat/pres_fsvp/docs/2015/10/15/16/23/50791b23-7f5b-4d54-b218-40bfc552f38c.pdf