Der Ministerpräsident erinnerte nicht nur daran, dass die Parteien, die sich für die Volksbefragung aussprechen, seit den vergangenen Wahlen über zwei Drittel der Abgeordneten des katalanischen Regionalparlaments stellen, sondern auch die Unterstützung einer großen Mehrheit der katalanischen Bevölkerung. Zuletzt protestierten am katalanischen Nationalfeiertag am 17. September fast 1,8 der insgesamt 7,5 Millionen Menschen in Katalonien für ihr Selbstbestimmungsrecht.
„Katalonien will sprechen und gehört werden. Katalonien will wählen. Danach finden wir die Wege und Formen, wie unsere politische und rechtsstaatliche Zukunft aussehen kann“, erklärte Mas auf Katalanisch, Spanisch und mit Blick auf die EU-Regierungen auch auf Englisch. Er betonte, dass die historischen engen Verbindungen mit anderen Völkern Spaniens auch weiterhin bestehen blieben, sollte sich eine Mehrheit der Katalanen für die Unabhängigkeit aussprechen und bat die Madrider Zentralregierung, keine Angst davor zu haben, den Willen der Katalanen zu hören.
Spanische Regierung: Referendum illegal
Die spanische Regierung sieht das Referendum als illegal an. Einerseits stehe einer Regionalregierung laut der spanischen Verfassung weder das Recht zu, ein solches Referendum auszurufen. Andererseits beschütze die Verfassung die „nationale Integrität und Einheit“, heißt es aus Madrid. Schon kurz nach der Niederlage der Unabhängigkeitsbewegung in Schottland hatte Mas betont, er werde sich nicht von der Anfechtung durch die Zentralregierung abschrecken lassen und warnte Spaniens konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy davor, die Verfassung „zu missbrauchen, um das katalanische Volk zum Schweigen zu bringen“.
Unterdessen berief Ministerpräsident Rajoy bereits für den Montag eine außerordentliche Kabinettssitzung ein, um die Volksabstimmung über die Loslösung Kataloniens vom restlichen Spanien noch am selben Montag vor dem Madrider Verfassungsgericht anzufechten. Das Gericht dürfte schon am Dienstag zusammentreffen, um das Referendum zunächst für fünf Monate auszusetzen, während die katalanische Regionalregierung in Berufung gehen kann.
„Kein juristisch bindendes Referendum“
Roger Albinyana, Staatssekretär für Außenpolitik und internationale Beziehungen der katalanischen Regionalregierung, glaubt jedoch nicht daran, dass das Verfassungsgericht die Volksabstimmung aussetzen wird. „Es stimmt, dass wir kein juristisch bindendes Referendum über die Loslösung von Spanien ausrufen können. Aber wir haben in der vergangenen Woche im katalanischen Parlament ein Konsultationsgesetz verabschiedet, auf dessen Basis wir die Bevölkerung nach ihrer Meinung fragen können. Diese Befragung hat keinerlei juristische Bindung und ist von daher konform mit der Verfassung“, versichert Roger Albinyana. Sehr wohl aber gebe es seiner Regierung ein politisches Mandat zur Fortsetzung des Unabhängigkeitsprozesses, sollte das „Ja“ gewinnen, so der katalanische Staatssekretär für Außenpolitik.
Um den juristischen Unterschied zu einem Referendum zu betonen und die Wahlbeteiligung zu erhöhen, dürfen an der Volksbefragung bereits alle in Katalonien wohnenden Personen ab 16 Jahren teilnehmen, sowie Bürger aus anderen EU-Staaten und nicht europäische Einwanderer, die seit mehr als drei Jahren legal in Katalonien leben.
„Historischer Moment für Katalonien“
Während Artur Mas im Palau de la Generalitat das Konsultationsdekret unterschrieb, protestierten Tausende Menschen auf dem Platz Sant Jaume in Barcelona für die Durchführung der Volksbefragung am 9. November. Organisiert wurde die Kundgebung von der Katalanischen Nationalversammlung (ANC). Die Bürgerplattform rief bereits am 17. September zum Massenprotest unter dem Motto „Ara es L’Hora. Units per un pais nou“ (Jetzt ist der Moment. Vereint für ein neues Land) auf. „Heute ist ein historischer Moment für Katalonien. Mit der Unterschrift von Mas unter das Dekret sind wir unserem Traum eines unabhängigen Kataloniens etwas näher genommen“, sagte ANC-Vorsitzende Carme Forcadell.
Vor allem mit dem Unabhängigkeitsreferendum in Schottland habe sich bei immer mehr Katalanen der Wunsch verstärkt, auch über die politische Zukunft ihres Landes abstimmen zu können. Das „Nein“ in Schottland habe die katalanische Unabhängigkeitsbewegung keineswegs ausgebremst. „Das Gegenteil war der Fall“, so Carme Forcadell. Ihre Bürgerplattform brachte während der Protestkundgebung auf dem Sant Jaume Platz eine Countdown-Uhr an einem Balkon an, die die noch verbleibende Zeit zum 9. November herunterzählt.