Der Präsident der Generalitat Katalonien Artur Mas ist die Schlüsselfigur des Referendums vom 9. November, das die Region in die Unabhängigkeit von Spanien führen soll. Ein Referendum, das beim Regierungschef in Madrid Mariano Rajoy auf Ablehnung stößt. Am 8. April steht die katalanische Petition auf der Agenda des spanischen Parlaments, wo sie wohl durchfallen wird. euronews hat den Nationalisten Artur Mas im Sitz der Generalitat interviewt.
Vicenç Batalla, euronews:
“Wie hoch sind die Chancen, das das Referendum zur Unabhängigkeit Kataloniens am 9. November tatsächlich statt findet und dass Katalonien eines Tages unabhängig wird?”
Artur Mas, Präsident der Generalitat Katalonien:
“Das ist durchaus möglich. Die katalanische Regierung und ich setzen uns voll und ganz ein, damit die große Mehrheit, die es hierfür in Katalonien gibt, auch zum geplanten Referendum am 9. November führt. Wir sind dabei, alle Weichen zu stellen, um das möglich zu machen. Und ich erwarte, dass es keine kategorische und radikale Blockadehaltung der Institutionen des spanischen Staates gibt, die diese demokratische und friedliche Volksbefragung verhindern wollen. Außerdem wird sich das Referendum im gesetzlichen Rahmen bewegen – im Rahmen eines spanischen oder aber katalanischen Gesetzes, was wir derzeit noch klären müssen.”
euronews:
“Warum ist David Cameron im Gegensatz zu Mariano Rajoy Ihrer Meinung nach einverstanden mit einem Referundum über eine schottische Unabhängigkeit?”
Artur Mas:
“Wahrscheinlich gibt es in Großbritannien ein stärkeres und tiefer verwurzeltes demokratisches Verständnis als in Spanien. Das ist schade, denn Spanien hat ähnliche demokratische Vorbedingungen.
Spanien ist eine Demokratie, daran besteht kein Zweifel, aber es hat nicht das selbe demokratische Kaliber wie Großbritannien. Das ist ein Fakt.
Als der britische Premier David Cameron gesehen hat, dass das schottische Parlament durch ein Mandat des Volkes den Weg zu einem Referendum geebnet hat, hat er ganz demokratisch das Urteil der Schotten akzeptiert.
Er hat niemals abgestritten, dass Schottland eine Nation ist.
Nicht so in Spanien, wenn es um die katalanische Nation geht. Das ist schon mal ein enormer Fehler, denn diese Sicht entspricht nicht unserer Geschichte. Das Gegenteil kann man auf den Wänden unseres Regierungssitzes hier sehen, die aus dem 15. Jahrhundert stammen. Dieser Palast hier war immer der Sitz der katalanischen Regierung, als sie die Freiheit und Demokratie für sich erstritt. Eine Nation zu sein, entspricht auch dem Willen der Mehrheit der katalanischen Bevölkerung.”
euronews:
“Sollte Katalonien das Referendum für sich entscheiden, wird genau beobachtet, ob Katalonien in der EU bleibt. Nach Meinung des Kommissionspräsidenten Barroso muss ein unabhängiges Schottland oder ein unabhängiges Katalonien aus der EU ausscheiden, um dann die Wiederaufnahme zu beantragen.”
Artur Mas:
“Ja, allerdings gibt es keinen Präzedenzfall.
Die EU-Verträge wie auch der Lissaboner Vertrag sehen so etwas gar nicht vor. Davon ist nirgendwo die Rede, denn man hat sich diesen Fall nicht vorstellen können. Es gibt also keine festgeschriebenen Regeln.
Es wird auch nicht präzisiert, was aus den erworbenen EU-Bürgerrechten der Schotten oder Katalanen wird. Denn diese können nicht so einfach von heute auf morgen abgeschafft werden.
Außerdem wird nicht gesagt, unter welchen Bedingungen man wieder aufgenommen wird, sollte man die EU zeitweise verlassen müssen. Werden wir die selben Bedingungen erfüllen müssen wie Staaten, die noch nie EU-Mitglied waren? Und die sich vorher noch nie nach europäischen Regeln gerichtet haben? Oder werden für uns andere Bedingungen ausgehandelt, weil wir bereits in der EU sind und europäisches Recht bereits anwenden? Und weil wir Katalanen Beitragszahler sind, die mit ihren Steuern mehr an Brüssel abgeben als von dort erhalten und trotzdem Mitglied bleiben wollen?”
euronews:
“Wirtschaftlich gesehen: Ist ein unahängiges Katalonien möglich? Anders gesagt, wollen die katalanischen Unternehmen die Unabhängigkeit von Madrid oder sind sie dagegen?”
Artur Mas:
“Beides, es gibt viele unterschiedliche Positionen, das ist ganz normal. Es gibt Unternehmen, die mit den restlichen spanischen Landesteilen eng zusammenarbeiten, es gibt andere, die das weniger tun. Je mehr Handel die Unternehmen mit dem Rest des Landes treiben, desto mehr Konflikte scheint unser Referendum zu schaffen.
Die Unternehmen, die sich hingegen weniger am restlichen Spanien orientieren, die mehr exportieren und weniger vom spanischen Markt abhängig sind, haben eine andere Haltung.
Wer hat Angst vor unserem Referendum? Niemand muss Angst haben. Es stimmt schon, von außen versucht man, Angst zu schüren. Vor allem gewisse Medien in Madrid unterstützen diese schier endlose Angstmache. Aber hier in Katalonien beobachten wir das alles mit großer emotionaler Distanz, denn alles, was sie wollen, ist die große Mehrheit für das Referendum zu spalten.”
euronews:
“Auf Ihrer Suche nach europäischen Verbündeten spielt Frankreich eine wichtige Rolle. Dort gibt es eine Region im Süden des Landes, wo Katalanisch gesprochen wird. Wie wird Ihrer Meinung nach Frankreich reagieren, wenn Katalonien mit seinem Plan durchkommt?”
Artur Mas:
“Das weiß ich nicht, ich kann es Ihnen nicht sagen. Sie wissen doch, dass Frankreich ein zentralistischer Staat ist. Das Referendum für eine katalanische Unabhängigkeit wird in Frankreich akzeptiert und hat dort mehrheitlich Befürworter. In Spanien liegt die Sache jedoch anders, ganz anders. Dort gibt es zwei, drei Regionen, die sich Nation nennen dürfen. Diese haben sich über Jahrhunderte hinweg den zentralistischen Regierungen widersetzt. Das gibt es nicht in Frankreich.
Und das, was in Katalonien passiert – und das ist übrigens in diesem Zusammenhang sehr wichtig – hat keinen Vorbildcharakter für andere europäische Regionen. Es gibt zwar ähnliche Bestrebungen in Schottland, doch das ist ein isolierter Fall.
Es gibt nicht viele Regionen in Europa, die man mit Katalonien vergleichen kann – mit großer Sicherheit nicht in Frankreich. Deshalb hat Paris nichts zu befürchten, denn der katalanische Vorgang ist einzigartig und sehr speziell. Ich will das hier noch mal deutlich hervorheben: Derzeit gibt es in den meisten Regionen des europäischen Kontinents keine vergleichbare Situation.”
euronews:
“Sprechen wir über die Krim und die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine. Was denken Sie, wenn der spanische Außenminister Katalonien in einem Atemzug mit der Krim nennt? Was sagen Sie über das russische Fernsehen, das Katalonien als Beispiel nennt, um das Referendum auf der Krim zu rechtfertigen?”
Artur Mas:
“Wenn Russland den Vergleich anführt, passt das zu seinen Plänen, denn es braucht gerade jetzt jeden Vorwand, um zu rechtfertigen, was auf der Krim passiert. Und in den Vergleichen wird vor nichts halt gemacht!
Was mich am meisten überrascht, sind die Worte des spanischen Außenministers. Für mich ist es verrückt, Krim und Katalonien gleichzusetzen, denn das eine hat nichts mit dem anderen zu tun.
Auf der Krim gibt es im Gegensatz zu Katalonien keine gewählte Regierung, die ein Referendum ausrufen könnte. Auf der Krim wurde im Gegensatz zu Katalonien das Referendum unter großem Druck organisiert.
Die Umstände in Katalonien sind friedlich, sie sind demokratisch; es gibt eine Regierung, die vom Volk gewählt wurde, die per Mandat ein Referendum durchführen will. Das alles ist überhaupt nicht zu vergleichen.”
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