Unserer Leserbrief zu den Beiträgen von Herrn Karl-Peter Schwarz („Ende der Bindestrich-Föderation“) und Herrn Leo Wieland („Sisyphos mit Stehvermögen“) in der Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen vom 31.12.2012 (Seiten 4 und 5).
Leserbrief
Vor genau zwanzig Jahren trennten sich die Slowakei und Tschechien auf friedliche Weise. Beide Nationen sind heute anerkannte und gleichberechtigte Staaten in der Europäischen Union. In zwei Jahren werden hoffentlich die Bürger Kataloniens per Volksabstimmung die Trennung von Spanien beschlossen haben. Dass die katalanische und die spanische Nation danach ebenso gleichberechtigt nebeneiander Mitglieder der EU sein werden, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.
Der historisch klug zurückblickende Beitrag von Herrn Karl-Peter Schwarz („Ende der Bindestrich-Föderation“, FAZ vom 31.12.2012, Seite 4) zeigt, welche Verantwortung dabei den Medien zukam und zukommt. So erinnert er an die damalige Blindheit der tschechischen Hauptstadt gegenüber den slowakischen Medien: „Der Prager Wenzelsplatz führte wie immer Zeitungen aus aller Herren Länder – nur keine slowakischen“. Schlimmer noch: „Vor zwanzig Jahren übernahmen fast alle ausländischen Medien die tschechische Darstellung“. Sie trafen dabei auf willige Leser, denn „es störte die Eliten in den Hauptstädten des Westens, dass sie es bei den sogenannten Tschechoslowaken nicht mehr mit einem sondern mit zwei Völkern zu tun hatten“.
Herr Leo Wieland illustriert auch in seinem jüngsten Bericht aus Madrid („Sisyphos mit Stehvermögen“, ebd., Seite 5) aufs Trefflichste den Typus medialen Versagens, den Herr Schwarz aus Prag in so schlechter Erinnerung hat. So bewertet Herr Wieland in seiner Bilanz des ersten Regierungsjahres den spanischen Regierungschef Mariano Rajoy in kaum erträglich lobhudelnder Weise („charakteristische schmucklose galicische Art“, „bescheiden“, „keine Unze Frivolität“, „der stille Mann mit dem grauen Bart hat Stehvermögen“). Das im Fahrwasser der Wirtschaftskrise zugespitzte und für den spanischen Staat besonders folgenreiche Thema der katalanischen Emanzipation macht er nahezu unsichtbar und verschiebt es in den letzten Winkel seines Beitrags. Wie en passant fällt Herr Wieland dort mit Blick auf das kommende Jahr das historisch kolossale Fehlurteil: „Im Umgang mit den Separatisten dürfte die spanische Verfassung helfen“. Genau das tut sie nicht. In zwanzig Jahren wird Herr Rajoy als Totengräber der staatlichen Gemeinsamkeit von Spaniern und Katalanen dastehen. Und Herr Wieland?
Herr Schwarz wird dann seinen Artikel noch einmal schreiben müssen.
Ein Opfer der national-medialen Beschränktheit ist leider schon seit Jahren der deutsche Leser der FAZ. Hat er nicht auch zu den katalanischen Vorgängen und Hintergründen Anspruch auf umfasssende Information und sachgemäße Analyse? Und warum nicht direkt aus Barcelona? Warum sollen die Deutschen den oft leider autistischen Blick spanischer Medien auf Katalonien per se teilen? Welchen Gewinn haben sie von den zusätzlichen Engführungen und Ausblendungen des Herrn Wieland, der je und je die katalonienfeindlichsten Standpunkte aus ABC, El Mundo oder El Pais abzuschreiben scheint? Sollte dem deutschen Leser nicht lieber ausführlich erläutert werden, wie sehr und wieso der in katalanischen Fragen bornierte Regierungschef Rajoy seinem in schottischen Fragen demokratisch auftretenden Kollegen Cameron um Ellen unterlegen ist.
Ein viel größeres Opfer der madridhörigen Desinformation sind allerdings wir Katalanen. Eine mediale Schmutzkampagne haben wir im Kontext der Novemberwahlen in Katalonien gerade hinter uns. Wir, die Assemblea Nacional Catalana, haben am 11. September 2012 in Barcelona die größte politische Demonstartion Europas nach 1945 auf die Beine gestellt, um auf friedliche und europafreundliche Weise dieselben Freiheitsrechte durchzusetzten, die in Prag und Pressburg inzwischen selbstverständlich sind. Ganz besonders in den kommenden zwei Jahren bis zur Unabhängikkeit Kataloniens erwarten wir professionelle Berichterstattung in allen Ländern der Europäischen Union, auch in Deutschland.
Assemblea Nacional Catalana, Sektion Berlin
1. Januar 2013